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BERNHARD STEINER


Der euro: Bilanz und Ausblick

 
   DAS GOETHEANUM - 7. Januar 2012.
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Europa kriselt und immer wieder ist die Rede vom Ende des Euros, der europäischen Einheitswährung. Doch ist es wirklich der Euro, der schwächelt? Zehn Jahre nach der Einführung eine Bestandsaufnahme.

 

Die Krise des Euros ist ein Dauerthema geworden, das wie kaum ein anderes die Meinungen polarisiert und den Zusammenhalt Europas infrage stellt. War die Einführung des Euros ein Fehlgriff? Auch wenn heute in Deutschland viele Bürger mit einem „ja“ antworten würden: Es gibt eine Reihe von Gründen, auch in Zukunft an der europäischen Einheitswährung festzuhalten. Vieles spricht dafür, dass die Ursache der Probleme nicht direkt in ihr liegen, sondern dass es sich vielmehr um eine ganz grundsätzliche Krise unserer Geldordnung handelt, was sich an der Tatsache ablesen lässt, dass die Zukunft der Leitwährung – des US-Dollars – ebenso infrage gestellt ist.
Als vor ziemlich genau zehn Jahren der Euro eingeführt wurde, begrüßte ich dies im <Goetheanum> Nr. 2/2002 unter dem Titel: <Der Euro – ein Schritt zur Trennung von Staat und Wirtschaft> als eine positive Maßnahme und bezog mich dabei auf zwei Dinge. Erstens darauf, dass mit der Institutionalisierung der Europäischen Zentralbank (EZB) die Geldverwaltung aus dem staatlichen Inte­ressensgebiet herausgelöst wird, eine Forderung, die auch Rudolf Steiner stellte: «[...] Wenn die Dreigliederung verwirklicht wird, [ ...] da wird, zum Beispiel, nicht mehr die Staatsverwaltung das Geld als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen haben, sondern diese Anerkennung wird auf Maßnahmen beruhen, welche von den Ver­waltungskörpern der Wirtschaftsorganisation ausgehen.»1 Und als weitere positive Maßnahme in Richtung Dreigliederung erwähnte ich, dass die Spekulation mit Devisen innerhalb der Währungs­union unmöglich wird, und bezog mich dabei auf Rudolf Steiner, der darauf hinweist, dass das Geld im dreigegliederten sozialen Organismus den Warencharakter nach und nach verlieren muss.2
Zieht man jetzt zehn Jahre später eine Bilanz, muss man nüchtern feststellen, dass alles schlimmer geworden ist: Wir hören täglich in den Nachrichten, wie in der EZB weiterhin um nationalstaatliche Interessen geschachert wird und wie es dort nicht um die Orien­tierung am Gemeinwohl aller beteiligten Staaten im Euroraum geht, sondern vor allem um die Interessen der Geschäftsbanken. Es wird auch von einigen Ökonomen bemängelt, dass jetzt ein wirtschaftlich schwaches Land (etwa Griechenland) nicht mehr abwerten kann. Das ist aber ein Argument, dass immer noch in den alten Staatskategorien denkt. Auch ist festzuhalten, dass mit der Zunahme des Handels mit Derivaten3 die Spekulation nicht ab- sondern ganz besonders stark zugenommen hat. Es wird deutlich: Nationale Interessen melden sich massiv nach der Einführung des Euros und wer spekulieren will, kann es nach wie vor.
In den <Kernpunkten der Sozialen Frage> hat Rudolf Steiner präzi­siert, was er von dem «Verwaltungskörper der Wirtschaftsorgani­sation», der den Staat in Geldfragen ablösen sollte, erwartet: «Denn Geld kann im gesunden sozialen Organismus nichts anderes sein als eine Anweisung auf Waren, die von anderen erzeugt sind und die man aus dem Gesamtgebiet des Wirtschaftslebens deshalb beziehen kann, weil man selbst erzeugte Waren an dieses Gebiet abgegeben hat.»4
Davon sind wir heute meilenweit entfernt: Auch die Vermehrung des Geldes durch Geld hat nicht absondern in erschreckendem Ausmaß zugenommen. Heute kann man durch geschickte Fi­nanztransaktionen in der Tat ohne jegliche Gegenleistung Waren aus einem fremden Gebiet beziehen. Dabei spielen die erwähnten Derivate eine wichtige Rolle und insbesondere die in den Medien oft genannten Credit Default Swaps (CDS; Kreditausfallversiche­rungen). Diese CDS sind handelbare Versicherungen auf fremde Werte – vergleichbar mit einer Feuerversicherung auf das Haus des Nachbarn. Kassiere ich eine Prämie, wenn das Nachbarhaus abbrennt, habe ich nicht nur wenig Interesse, mich am Löschen zu beteiligen; ich könnte auch versucht sein, selbst zu zündeln. Die Staatsanleihen von Griechenland (um bei dem Beispiel zu bleiben) sind zum Beispiel mit diesen CDS abgesichert. Man kann sich also vorstellen, dass es Kreise gibt, die nur auf die Pleite des Landes war­ten, um Kasse zu machen. Das erschwert natürlich den Politikern, die zumindest nach außen hin das Gemeinwohl im Auge haben müssen, ein vernünftiges Vorgehen. So lässt sich erklären, warum die jüngsten Rettungsmaßnahmen zur Entschuldung Griechen­lands auf freiwilliger Basis getroffen werden mussten, da sonst der Versicherungsfall eingetreten wäre, was zur Zahlung großer Geldsummen geführt hätte.
Wenn wir diese Entwicklungen auf den Finanzmärkten mit in Betracht ziehen, wird sichtbar, dass mit der Einführung des Euros eine schon im System veranlagte Krankheit erst richtig zum Aus­bruch kommt. Nicht die Einführung des Euros als solche war falsch, sondern die Tatsache, dass man die Finanzmärkte nicht durch strenge Regeln an die Zügel genommen hat. Eigentlich haben wir keine Euro- und auch keine Schulden-, sondern eine Systemkrise, die auch ganz grundsätzlich das Zinseszinssystem infrage stellt. Im <Goetheanum> wurde schon oft erwähnt, dass das Geld auch <altern>, seinem Tod immer näher kommen muss. Geld sollte (durch negative Zinsen) mit der Zeit an Wert verlieren, wobei positive Zinsen nur dann berechtigt sind, wenn damit sinnvoll investiert wird, um die Produktion zu verbessern. Gerade weil negative Zinsen fehlen, konnte das Geld krebsartig wuchern.
Eine Eurokrise haben wir nur insofern, als sich jetzt die verschie­denen Währungsgebiete den Schwarzen Peter des ungedeckten Geldes zuschieben, und in diesem Spiel sieht es für Europa schlecht aus. Während die amerikanische Notenbank ebenso wie die engli­sche und die japanische unbegrenzt Geld in Umlauf bringen kann, sind der EZB gemäß Artikel 123 und Artikel 125 des Vertrages von Lissabon in dieser Hinsicht die Hände gebunden. Artikel 123 ver­bietet der EZB die Hilfe für sämtliche Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Artikel 125 enthält die berüchtigte <No Bail Out>-Klausel, die verhindert, dass ein Staat dem anderen hilft. Die EZB darf somit nicht das tun, wofür Notenbanken eingerichtet wurden: Geld bereitzustellen, mit dem Haushaltsdefizite finanziert oder Schulden umgeschichtet werden können. Stattdessen verleiht die EZB ihr Geld zum Zinssatz von 1 Prozent an die Geschäftsbanken (in den USA verleiht das Federal Reserve System gar für nur 0,25 Prozent), die es dann für weit höhere Zinsen an die Staaten wei­tergeben – eine Art Geldvermehrung, die offensichtlich gewisse Kreise privilegiert und die Staaten in Armut treiben kann.
Das Argument, mit dem diese zwei Artikel des Vertrages von Lis­sabon verteidigt werden, dass es darum geht, das unbegrenzte Gelddrucken durch den Staat zu verhindern, ist nur sehr begrenzt stichhaltig. Denn die Kreditschöpfung durch die Geschäftsbanken wirkt ja nicht weniger inflationär! Europa ist vielmehr im Begriff einen riesigen Fehler zu machen, es hat sich selbst gefesselt und da­durch eine Flanke geöffnet, in die jetzt die Spekulanten vorstoßen können. Wir befinden uns schon jetzt in einem Währungskrieg, in dem die USA, die mit dem Dollar die Leitwährung besitzen, ein Interesse daran haben, den Euro zu schwächen, letztlich, weil auch die eigene Währung kriselt.
Dieser Währungskrieg wird pikanterweise gerade mit Hilfe jener Gelder geführt, die die entsprechenden Staaten den Banken und Hedgefonds im Gefolge der Immobilienkrise 2008 zur Verfügung stellten, um das System zu retten. Damals wurden die von der Finanzwirtschaft durch faule Kredite und Spekulationen verur­sachten Verluste vom Staat übernommen und auf den Steuer­zahler abgewälzt. Insofern ist die jetzige Krise auch eine Folge der Immobilienkrise. Weitere Krisen werden folgen, wenn nicht das Geldsystem geändert wird und die Politiker ihre Hörigkeit gegenüber dem Kapital aufgeben.
Die hier erwähnten Prozesse spiegeln sich auch in den jüngst veröffentlichten Zahlen der in Basel domizilierten Bank für In­ternationalen Zahlungsausgleich (BIZ, engl. BIS) wieder.5 Die im außerbörslichen Handel <Over-the-counter> (OTC) ausstehenden Derivate betrugen Ende Juni 2011 708 Billionen US-Dollar (in Zahlen $ 708 000 000 000 000). Die CDS sind ein Teil davon und schwierig ganz genau einzuschätzen (der Bericht spricht von 1,3 Billionen). Gegenüber diesen Summen kann der immer wieder erweiterte Rettungsschirm des europäischen Finanzstabilisierungsmecha­nismus (EFSM) und des europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wenig anrichten.
Gegenwärtig spitzen sich die Ereignisse zu: Die Staaten sehen sich mit steigenden Refinanzierungskosten und erschwertem Zugang zu Finanzmitteln konfrontiert. Dass die Politiker von den Märkten getrieben werden, wird immer offensichtlicher. Sie werden aber einmal notgedrungen Position beziehen müssen. Der Staat muss der Wirtschaft die Spielregeln diktieren und nicht umgekehrt. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass der geistige Teil der Wirt­schaft, die Körperschaften, die sich mit der Verwaltung des Geldes beschäftigen (oder das, was Rudolf Steiner «Assoziationen» nennt), den Freiraum bekommt, diesen Bereich auch zu organisieren. Nur so werden wir eine Entwicklung einleiten können, in der, wie Steiner schreibt, «[ ... ] Geld im gesunden sozialen Organismus nichts anderes sein [kann] als eine Anweisung auf Waren, die von anderen erzeugt sind und die man aus dem Gesamtgebiet des Wirt­schaftslebens deshalb beziehen kann, weil man selbst erzeugte Waren an dieses Gebiet abgegeben hat.»6 Der Euro, eigentlich für einen gesunden Austausch der Waren und Leistungen gedacht, hat da, so er die gegenwärtige Krise überlebt, noch einen weiten Weg vor sich.
1 Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der Sozialen Frage, GA 23, Kapitel <Kapitalismus und soziale Ideen>
2 So Rudolf Steiner in der Fragenbeantwortung vom 9.8.1920, in: Soziale Ideen – Soziale Wirklichkeit – Soziale Praxis, GA 337b
3 Derivate (von lat. = ableiten) ist ein Sammelbegriff für Fi­nanzinstrumente, deren Preis wiederum von der Entwicklung anderer Werte wie Rohstoffe, Aktien, Zinsen oder auch der Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrotts abhängt.
4 Siehe Anm. 1
5 www.bis.org/publ/otc_hy1111.pdf
6 Siehe Anm. 1