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Offene Fragen sozialer Dreigliederung

Bericht zum Kolloquium am 11. Oktober 2014

Andre Bleicher

Das Gespräch wird in Goethes Märchen als „erquicklicher als das Licht" bezeichnet und wird in seiner Qualität nur noch durch das (Selbst-) Opfer der grünen Schlange übertroffen. Es mag dem anthroposophisch geschulten Dreigliederer einigermaßen abgeschmackt erscheinen, diesen Bericht mit dem Bezug auf Goethes Märchen zu beginnen. Dieser Bezug charakterisiert jedoch den Anspruch, der mit dem Vorhaben, ein Gespräch zu offenen Fragen sozialer Dreigliederung zu führen, verbunden ist. Dass ein gelungenes Gespräch keines-wegs etwas Selbstverständliches ist, darüber geben zahllose Beziehungsberater Aufschluss, die etwa Titel tragen wie: „Du verstehst mich nicht" (Harald Schmidbauer) oder „Das hab' ich nicht gesagt" (Deborah Tannen). Unter Soziologen kursiert daher nicht umsonst das Diktum von der „Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation".

Das Unterfangen trug somit Züge eines Abenteuers — die Antwort auf die Frage, ob und wie es bestanden wurde, bleibt dem Urteil des einzelnen Teilnehmers überlassen. Der Bericht versucht, von diesem Abenteuer zu erzählen.

Aufbau und Ablauf des Kolloquiums

Das Kolloquium, ein „Werkstattgespräch", wurde in vier Abschnitte von jeweils 90-minütiger Dauer und ein abschließendes Resümee gegliedert. Der erste Abschnitt sollte Fragen zur Aktualität sozialer Dreigliederung behandeln, der zweite war den Fragen zum Verhältnis der drei Glieder des sozialen Organismus gewidmet. Der dritte Gesprächsabschnitt umfasste das Spannungsfeld der sozialen Urbilder und der konkreten Lösungen, während im vierten Abschnitt Fragen zur Umsetzung thematisiert werden sollten. Die Abschnitte wurden jeweils von knappen Statements eingeleitet diese einleitenden Statements sollten einen Diskursraum bilden, nicht den Diskurs selbst fokussieren. Ganz in diesem Sinne waren auch die in der Einladung aufgeführten Stichpunkte sehr knapp gehalten. Die Moderation beschränkte sich auf methodische Hinweise und Akzente, verzichtete jedoch weitestgehend darauf, inhaltlich in den Gesprächsverlauf einzugreifen.

Im Forum 3 hatten sich über 30 Teilnehmer versammelt. Vertreten waren Akteure unterschiedlicher Provenienz: Neben dem Veranstalter, dem Institut für soziale Gegenwartsfragen, waren das Kultur-zentrum Achberg, das Institut für Dreigliederung, Berlin, das Seminar für freiheitliche Ordnung Bad Boll, das Aktionsbündnis direkte Demokratie und das Lorenz Oken Institut Herrischried vertreten. Erfreulicherweise waren jedoch nicht nur Vertreter der ,Dreigliederungsschulen' erschienen, sondern auch Akteure, die nicht (direkt) einer Initiative zu-zuordnen sind, was den Diskurs durchaus belebte. Ein wenig bedrückend war es festzustellen, dass der Altersmedian der Teilnehmer deutlich über 50 Jahren angesiedelt war, was die Frage aufwirft — auch wenn vereinzelt jüngere an Dreigliederung Interessierte den Weg ins Forum 3 gefunden hatten —, welches Schicksal der Dreigliederungsbewegung wohl beschieden sein mag.

Methodische Bemerkungen

Eine Gruppendiskussion mit über 30 Teilnehmern stellt aus einem methodischen Blickwinkel betrachtet ein gewagtes Unterfangen dar. In den Sozialwissenschaften wird, was Gruppendiskussionen betrifft, von einer idealen Gruppengröße von sechs bis vierzehn Personen' ausgegangen. Zu kleine Gruppen erweisen sich aufgrund schnell ausgebildeter spezifischer Rollenmuster sehr bald als zu fest gefügt, um eine produktive Diskussion zu ermöglichen. Zu große Gruppen hingegen sind permanent gefährdet, auseinanderzufallen, sich in Einzelaspekten zu verlieren und lösen bei Teilnehmern oftmals ein Gefühl der Fremdheit gegenüber dem Gruppenprozess aus. In der Gruppendiskussion ließ sich das zweite Gefahrenmoment gut beobachten. So wurde moniert, dass Beiträge nicht aneinander anschlössen, ein wirkliches Gespräch nicht stattfände, sondern stattdessen nur isolierte, nicht aufeinander bezogene, Statements vorgebracht würden, was dazu führte, dass Teilnehmer sich emotional mit der Diskussion nicht verbinden könnten.'

Für den Berichterstatter entsteht ein weiteres methodisches Problem. Sequenzialität, welche im Einzelinterview grundsätzlich gewährleistet ist, kann in einer Gruppendiskussion nicht immer hergestellt werden. Äußerungen von Personen, die eine Zeit lang über die Aussage eines anderen Teilnehmers nachdenken und erst dann zu einer schlüssigen Position gelangen, nachdem sich bereits andere Teilnehmer zu Wort gemeldet haben, sind (auch bei mehrfachem Abhören der Aufzeichnung) nicht immer dem ursprünglichen auslösenden Statement zuzuordnen. Eine befriedigende Lösung des Problems konnte in den Sozialwissenschaften bislang nicht erarbeitet werden.

Der Bericht wurde erstellt, indem zunächst die Aufzeichnung abgehört und die behandelten Themen und Inhalte stichwortartig notiert wurden. Es wurde darauf verzichtet, die Beiträge zu transkribieren, ebenso wurde von einer namentlichen Identifizierung der Teilnehmer abgesehen. Um der Gefahr vorzubeugen, die eigene Vorstellung darüber, welche Fragestellungen wichtig sind, und welche nicht, gleichsam als Selektionskriterium zu verwenden, wurde, soweit als möglich, ein induktives Vorgehen gewählt, also die angesprochenen Thematiken zu­nächst möglichst umfangreich notiert, ohne dass eine Vorcodierung erfolgte. Im Zuge des zweiten Abhörens wurde dann versucht, Beziehungen zwischen den einzelnen Beiträgen zu identifizieren und Gesprächssequenzen zu rekonstruieren. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. Aspekte, die quer zu den einzelnen Gesprächspunkten lagen, sich aber als bedeutsam herausstellen könnten oder einer gesonderten Debatte bedürfen, wurden gewissermaßen ,vor die Klammer' gezogen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Kollo­quium erhebt selbstverständlich nicht den Anspruch, die offenen Fragen sozialer Dreigliederung erschöpfend und vollständig zusammengetragen zu haben. Dass eine Vielzahl offener Fragen gar nicht aufgegriffen oder behandelt werden konnte, dürfte allen Teilnehmern bewusst gewesen sein.

Vor die Klammer gezogen

In der Vergangenheit haben die unterschiedlichen Dreigliederungsschulen Auseinandersetzungen mit­unter mit ,harten Bandagen' ausgetragen, was dazu führte, dass manche Auseinandersetzung letztlich unproduktiv erschien und persönliche Verletzungen nicht ausblieben. Das Werkstattgespräch fand vor diesem historischen Hintergrund statt. So wurde partiell von Teilnehmern moniert, dass Diskutanten mit unterschiedlich besetzten Begriffsarsenalen ope­rierten, was sich für das Verständnis als nicht gerade zuträglich erwies. Als neues Phänomen gilt es jedoch festzuhalten, dass diese jeweils eigene Historie nicht zum Beharren auf dem jeweils eigenen Standpunkt führte und in Gesprächsverweigerung mündete, son­dern dass versucht wurde, den Diskursfaden immer wieder aufzunehmen. Es mag sein, darauf weisen einzelne Teilnehmer im Rahmen des Resümees hin, dass dies nicht immer in ausreichender Qualität gelang, dennoch bleibt zu konstatieren, dass das Werkstattgespräch von grundsätzlicher Diskursbe­reitschaft geprägt war. Dieses Ergebnis sollte nicht überhöht und mögliche zukünftige Treffen mit überzogenen Erwartungen versehen werden, gleichwohl ist es wert, erwähnt zu werden.

Im Kontext der am Freitagabend gehaltenen Vorträge tauchte bereits die Frage nach dem Wesen des sozialen Organismus auf. Diese Frage wurde im Rahmen des Werkstattgespräches zwar nicht behandelt, jedoch in einer Vielzahl von Beiträgen immer wieder verdeckt aufgeworfen. Die Positionen zu dieser Frage, sind nicht leicht wiederzugeben, da der Begriff Organismus oftmals metaphorisch ver­wendet wurde und deshalb vage geblieben ist. Sie reichen von der Auffassung, der Begriff des sozialen Organismus beschränke sich auf die Übertragung der funktionalen organischen Funktionen (Aufbau, Abbau, Vermittlung) des biologischen Organismus auf soziale Tatbestände bis hin zu der Auffassung, es handele sich beim sozialen Organismus um einen gewissermaßen typologisch wirksamen eigenständi­gen Organismus. Hinzu kommen Auffassungsunter­schiede hinsichtlich des Verhältnisses von Organ zu Organismus. Aus diesen Auffassungsunterschieden ergeben sich Fragen: Muss jedes Organ (also jede Einrichtung) als dreigliedrig begriffen und dann zwingend auch dreigliedrig ausgestaltet werden? Ist jedes Gebiet des funktionalen sozialen Organismus (also Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsle­ben) dreigliedrig gestaltet, oder ist die Vermittlungs­funktion polar gehalten?

Ein weiteres Thema, welches in der Debatte mehrfach berührt wurde, ist die Frage nach der Bedeu­tung von sozialer Struktur und Handlung, die — darüber bestand weitgehend Einigkeit — wechselseitig aufeinander bezogen werden müssen. Dennoch wurden in der Diskussion unterschiedliche Akzente gesetzt: Auf der einen Seite bestand bei einer Reihe von Teilnehmern das Bemühen, sinnvolle Einrichtun­gen zu konzipieren (Betonung des Strukturaspektes), auf der anderen Seite existierte der starke Wunsch, krisenhafte Zustände durch gutes (richtiges) Handeln zu überwinden.

Ähnlich verhält es sich mit den unterschiedlichen Herangehensweisen an soziale Dreigliederung. Motive können einerseits sein, mittels Dreigliederung soziale Prozesse besser zu verstehen. So wurde von einzelnen Akteuren zunächst auf die Bedeutung des Erkenntnisaspektes abgehoben, indem etwa herausgearbeitet wurde, wie soziale Krisen verstanden und erklärt werden können. Auf der anderen Seite wurde der starke Wunsch nach sozialer Veränderung artikuliert, welcher Dreigliederung als Methode ansieht, die zur substanziellen Gestaltung sozialer Prozesse dienen kann.

Die behandelten Problempunkte im Einzelnen

Der Diskussionsprozess kam zunächst nur schleppend in Gang. Eine Gesprächssequenz, die im ers­ten Gesprächsteil immer wieder angerissen wurde, war die Krise der Moderne. Durchaus unterschied­liche Auffassungen bestanden darüber, in welchem sozialen Subsystem die Krisenhaftigkeit am stärksten zutage tritt. So wurde die Auffassung vertreten, dass die gegenwärtigen Verhältnisse im Geistesleben als besonders krisenhaft zu betrachten seien, während die gesellschaftlichen Subsysteme Recht und Wirt­schaft grundsätzlich eine erfreuliche Entwicklung genommen hätten. Dieser Auffassung wurde insofern widersprochen, als krisenhafte Entwicklungen im ökonomischen Bereich (Finanzmarktkrise) oder im internationalen rechtlich-politischen Bereich (Ukrai­ne) kurz angesprochen wurden.

Das Gespräch verlief in den anschließenden Dis­kussionsrunden konzentrierter, sodass im Folgenden einzelne Gesprächssequenzen dargestellt werden können.

Befreiung des Geisteslebens. Von einer Vielzahl der Teilnehmer wurde thematisiert, dass Freiräume für Ein­richtungen des Geisteslebens in den letzten Jahrzehn­ten systematisch eingeschränkt wurden. Dies geschah und geschieht beispielsweise an Hochschulen mittels der Einführung von Kunstwährungen (Creditpoints) im Zuge der Bachelor- und Masterisierung der Studien­ordnungen, was dazu führt, dass Studienleistungen ,bepreist' werden und der Studienprozess sich schlei­chend in einen Kaufprozess verwandelt — getauscht wird dann ein bestimmtes Zeitbudget gegen eine bestimmte Anzahl an Kreditpunkten. Hinzu kommt, dass gesellschaftlich breit diskutierte Utopien, wie Bildungsmärkte und Bildungsunternehmen, Umprä­gungen des habitualisierten Verhaltens bewirken: Studierende werden zu Kunden, Lehrende zu Dienst­leistern, Hochschulen zu Unternehmen... Es ist festzu­stellen, dass eine schleichende Kommodifizierung der Bildung erfolgt und Institutionen des Geisteslebens nicht länger der Logik der Schenkung (also der Gabe) folgen, sondern der Logik des Tausches.

Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch, weshalb es nicht gelingen will, nennenswerte Men­gen an Schenkungsgeld zu generieren, um Institu­tionen des Geisteslebens aus der Vormundschaft des Staates zu befreien. In diesem Kontext fiel auf, dass mit der individuellen Schenkung häufig eine Zwecksetzung verbunden wird, dass also gerade keine Befreiung erfolgt, sondern vielmehr eine Fesse­lung an einen sozialen Impuls, den der Schenkende als wünschenswert erachtet. Solange individuelle Schenkungen sehr konzentriert durch nur wenige Mäzenaten bereitgestellt werden, ist zu konstatieren, dass zumindest eine latente Gefahr besteht, dass mit der Schenkung eine Zwecksetzung verbunden wird. Kurz: Es erfolgt gerade keine Befreiung, sondern vielmehr Vermachtung. Als wünschenswert wurde deshalb eine breitere Verteilung und geringere Kon­zentration der individuellen Schenkungen genannt. Hilfskonstruktionen, wie etwa Bildungsgutscheine, wirkten zwar der Vermachtung entgegen, führten jedoch auch zur Kommodifizierungen, da nun der Gutschein gegen Bildung getauscht werde.

In diesem Kontext wurde das Problem der volks­wirtschaftlichen Schenkung angerissen. Obwohl die ökonomische Produktivitätsentwicklung erfreulich positiv verläuft, die Gesellschaft als Ganze also im­mer wohlhabender wird, besteht das Problem, dass der Produktivitätsfortschritt, kaum hervorgebracht, von widerstreitenden Interessengruppen (Arbeit und Kapital) angeeignet und daher nicht für die Finanzierung des Geisteslebens verwendet werden kann. So bleibt einstweilen nur das Instrument der Zwangsschenkung (Steuern).

Neutralisierung von Kapital. Anschließend an die Problematik der Aneignung des Produktivitätsfortschrittes wurde anhand des Fallbeispiels der Gewinnentstehung diskutiert, welche sozialen Formen vorhanden sind, um dieser Aneignung vorzubeugen. Sobald Gewinn entsteht, wird die Frage aufgeworfen, wem dieser nun gehöre. Da keine ideale Rechtsform existiert, um die (vollständige) Privatisierung der Gewinne zu verhindern, wurde zunächst nach pragmatischen Lösungen gesucht (gemeinnütziger Verein, Stiftung), die zumindest tendenziell zur Problemlösung beitragen können.

Am Fallbeispiel der Stiftung wurden Möglichkeiten
und Begrenzungen erörtert. Unternehmensstiftungen (Bosch-Stiftung, Mahle-Stiftung etc.) wurden dezidiert zum Zweck der Förderung von Institutionen des Geis­teslebens gegründet. Allerdings orientieren sie sich stark am Unternehmenszweck (der wirtschaftlichen Tätigkeit), weil das Unternehmen ja weiterhin erfolg­reich sein muss, um überhaupt Stiftungsmittel erwirt­schaften zu können. Daraus resultiert ein Konflikt: Die Rechtsform der Stiftung begrenzt einerseits die Mög­lichkeiten der Innenfinanzierung des Unternehmens (etwa durch Kapitalerhöhung), da das Unternehmen durch die Stiftung ein Stück weit eine Eigentumsneut­ralisierung erreicht hat. Aufgrund dieser begrenzten Innenfinanzierungsmöglichkeit achtet die Stiftung nun verstärkt darauf, dass die Unternehmensfinanzierung aus dem Cash Flow erfolgen kann, was andererseits dazu führt, dass Stiftungsgelder für Institutionen des Geisteslebens nur in wesentlich geringerem Umfang zur Verfügung gestellt werden können, als es — ent­lang des Produktivitätsfortschrittes gerechnet — grund­sätzlich möglich wäre.'

Verknüpft mit der Diskussion über die Neutralisierung von Kapital fand eine zeitweise parallel laufende Diskussion über die Thematik Arbeit und Einkommen statt. Diese Diskussion war verbunden mit Hinweisen auf die Entwicklung einer Gemeinwohlökonomie. Wiederum auf der Grundlage eines Fallbeispiels, in welchem vom Scheitern eines Versuches berich­tet wird, eine gleiche Einkommensverteilung unter der Bedingung gemeinschaftlicher Verantwortung für den Arbeitsprozess herzustellen, wurde die Möglichkeit erörtert, ob solche Ansätze überhaupt sinnvoll seien oder unterlassen werden sollten. Die Tatsache, dass ein Teil der Beteiligten das Einkom­men zwar gerne genommen, die Verantwortung jedoch nicht entsprechend akzeptierte, könnte so verstanden werden, dass eine gleichberechtigte und transparente Festlegung von Einkommen sich als utopisches Unterfangen erweisen könnte. In der Diskussion kristallisierten sich zwei Auffassungen heraus. Zum einen wurde das Scheitern auf unzu­reichendes menschliches Verhalten (und damit auf einen nicht hinreichenden Stand sozialer Entwick­lung) attribuiert. Zum anderen wurde vorgebracht, dass das Scheitern eher auf eine fehlerhafte soziale Gestaltung zurückzuführen sei. Es wurde diskutiert, unter welchen Voraussetzungen das Scheitern des Experimentes hätte verhindert werden können.

Fragen zur Umsetzung sozialer Dreigliederung stan­den im Zentrum des vorletzten Gesprächsabschnitts. Dazu wurde zunächst festgestellt, dass der soziale Organismus prinzipiell dreigliedrig ausgeformt in Er­scheinung tritt; dennoch bleiben Gestaltungsfragen offen. In der Diskussion wurde zunächst der Blick auf die Frage der Schaffung alternden Geldes gelenkt und festgestellt, dass eine sachgerechte Gestaltung hier zunächst nicht zu erwarten sei. Allerdings zeich­net sich — insbesondere aufgrund der Unterstützung einiger Salzwasserökonomen, etwa Paul Krugman — eine Tendenz der Notenbanken ab, eine Art ver­stetigter Inflation herbeizuführen. Dieses Bemühen kann für Japan (Shinzo Abe und die Abenomics) und eingeschränkt auch für Europa konstatiert werden. Damit wird zwar kein alterndes Geld im engeren Sinne geschaffen, allerdings kann die verstetigte Inflation (Krugman spricht von einem Inflationsfaktor von vier Prozent) dazu führen, dass eine pauschale Alterung des Geldes (nicht einer einzelnen Geldart, nämlich Leihgeld) gewährleistet wird.

Als zweiter Aspekt der Gestaltung wurde der Kom­plex direkter Demokratie diskutiert und diverse Ini­tiativen direkter Demokratie als Anknüpfungspunk­te herausgearbeitet. Anhand dieser Initiativen wurde die Frage der Beteiligung von Dreigliederern an Einpunktbewegungen — also Initiativen, die vor allem ein Ziel verfolgen — diskutiert. Übereinstimmung be­stand dahingehend, dass Einpunktbewegungen nicht usurpiert und gewissermaßen doktrinär in Dreiglie­derungsbewegungen transformiert werden können. Daraus resultierte die Frage, ob das Engagement, das Dreigliederer in Einpunktbewegungen einbrin­gen, nicht der Dreigliederungsbewegung insgesamt fehlen wird und der Dreigliederungsimpuls selbst darüber Gefahr läuft verloren zu gehen.

Darüber
hinaus ist zu konstatieren, dass es eine homogene Dreigliederungsbewegung nicht gibt, sondern diese in viele Einzelbewegungen auseinanderfällt (Drei­gliederungsschulen) und überdies, zumindest quan­titativ, nur eine relative geringe Anzahl von Akteuren aufweist. Die Berührungspunkte der einzelnen Schulen sind nur in geringem Umfang institutionali­siert (Netzwerk Dreigliederung, Zeitschrift „Sozial­impulse"). Diese Form der Vernetzung gilt es — so die übereinstimmende Auffassung — zu bewahren. Entwickelt werden sollte eine Kultur des Fragens, die einschließt, dass Ergänzungen und Korrekturen der jeweils eigenen Auffassungen als wünschenswert angesehen werden.

Prof. Dr. André Bleicher

(* 1963) lehrt BWL mit Schwerpunkt Strategische Unter­nehmensführung an der Hochschule Biberach.


1 vgl. Lamnek, Siegfried (2006): Qualitative Sozialforschung. Weinheim. S. 435

2 Unter diesen Kritikpunkt zu subsumieren sind auch die Wünsche,andere Gesprächsmethoden und -formen zu wählen. Genannt wurde eine eher meditative Herangehensweise oder das Tool des ,open space'.

3 Eine weitere Möglichkeit der Kapitalneutralisierung, die kurz erörtert wurde, ist die der Aktiengesellschaft, welche auf Basis vinkulierter Namensaktien gestaltet wird.